Offener Brief zur Situation am Institut für Sportwissenschaften

Göttingen, den 30. Januar 2013

Sehr geehrte Frau Professorin Beisiegel,

sehr geehrter Herr Professor Lücke,

sehr geehrter Herr Professor Loimeier,

sehr geehrter Herr Professor Kühnel,

sehr geehrte Frau Gottschlich,

sehr geehrte Frau Professorin Wanka,

wir, die Unterzeichnenden, sind mit der Lehre am Institut für Sportwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen gegenwärtig nicht zufrieden. Wir wählen den Weg eines offenen Briefes an Sie, da in der Vergangenheit diverse Versuche, im institutsinternen Dialog Einfluss auf die Gegebenheiten zu nehmen, gescheitert sind. Weder in persönlichen Gesprächen, Diskussionsrunden und im alltäglichen Miteinander noch im Vorstand sowie im schriftlichen Austausch fühlen wir uns verstanden, wahr-, beziehungsweise ernstgenommen und respektiert. Wir wissen nicht mehr weiter – deswegen wenden wir uns im Vertrauen an Sie.

Aus unserer Sicht hat sich die Lehre am Institut für Sportwissenschaften in den vergangenen Jahren merklich verschlechtert. Zudem befürchten wir, dass durch aktuelle Entscheidungen mit weiteren qualitativen Einbußen zu rechnen ist.

Insbesondere kritisieren wir folgende Punkte:

1. Qualität der Lehrveranstaltungen

Die Qualität der Lehrveranstaltungen, insbesondere der Sportpraxiskurse und Seminare, entspricht nicht unseren Erwartungen. Sportarten werden teilweise von Dozenten[1] vermittelt, die darin keinerlei oder mangelhafte Lehrerfahrung und Expertise haben. Wenn einem Dozenten eine Sportart beispielsweise nur aus dem Lehrbuch bekannt ist, kann aus unserer Sicht nicht von ausreichender Qualifikation gesprochen werden. So kann weder eine gute sportmotorische noch eine gute fachdidaktische und methodische Ausbildung erfolgen. Wir finden, dass es nicht zu viel verlangt ist, in einem universitären Ausbildungskurs einen Dozenten zu erwarten, der sich in dem Gebiet, das er unterrichtet, auskennt. Laut Aussage der Geschäftsführung sei die sportmotorische Kompetenz nicht zentrales Anliegen der Ausbildung in Sportpraxiskursen – gerade auch in der Lehrkräfteausbildung. Dies steht im deutlichen Gegensatz zu den Aussagen erfahrener Lehrkräfte.

In den vergangenen Jahren wurde, wie auch von der Geschäftsführung offen kommuniziert, bei der Einstellung von Mitarbeitern kaum Wert auf die Abdeckung möglichst aller Sportarten durch Experten gelegt.

Unserer Meinung nach ist es wichtiger, dass eine Sportart/ein Seminarinhalt oder ähnliches von einem Experten vermittelt wird, als dass der Dozierende hauptamtlicher Mitarbeiter des Sportinstituts ist. Verfügbare Ressourcen, zum Beispiel in Form von Lehrbeauftragen und Hochschulsportmitarbeitern, werden aus unserer Sicht in immer geringerem Maße wahrgenommen und somit den Studierenden eine qualitativ hochwertigere Lehre vorenthalten.

2. Lehrangebot

Viele Kurse sind mit teilweise über 30 Personen entschieden zu voll. Darüber hinaus werden aus unserer Sicht deutlich zu wenige Kurse angeboten. So erhielten Studierende im aktuell laufenden Wintersemester in Teilen nur einen oder gar keinen Praxiskurs. Masterstudierende wurden aufgrund von Platzmangel und der vorherrschenden Studienstruktur fast vollständig aus den Einführungsveranstaltungen ausgeschlossen. Der erfolgreiche Abschluss des Studiums in Regelstudienzeit ist aufgrund dieser Barrieren schwierig bis unmöglich. Zudem ist das Vergabeverfahren – insbesondere für die Sportpraxiskurse – intransparent und unfair. Des Weiteren sind die bereitgestellten Platzkontingente beliebter Kurse wie zum Beispiel der Wintersport-Exkursion, die obendrein eine zusätzliche Qualifizierungsmaßnahme insbesondere für zukünftige Schulfahrten darstellt, unzureichend, um den Bedarf auch nur in Ansätzen zu decken.

Als Begründung für ein eingeschränktes Lehrangebot wurde von Seiten der Geschäftsführung die Limitierung der vom Hochschulsport zur Verfügung gestellten Hallenzeiten angegeben. Diese Aussage halten wir für unangebracht.

Darüber hinaus muss angemerkt werden, dass in der Vergangenheit wie auch im aktuellen Semester wöchentlich angesetzte Seminartermine im Masterstudiengang Sportwissenschaften mit den Schwerpunkten Prävention und Rehabilitation aufgrund von Zeitmangel der Dozierenden kurzfristig zu Blockveranstaltungen zusammengelegt wurden. Diese Veranstaltungen gehörten zu einer Ringvorlesung und behandelten Modulinhalte somit erst deutlich verzögert.

3. Kooperation des Instituts mit dem Hochschulsport

Wir haben erfahren, dass Kurse, die in der Vergangenheit (teilweise sogar über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren) über Mitarbeiter des Hochschulsports angeboten wurden, nicht länger im Lehrangebot der kommenden Semester Berücksichtigung finden. Dies bedeutet für uns zum einen eine Reduktion des Studienangebotes sowie der Attraktivität des Standortes Göttingen, und zum anderen eine Mehrbelastung und Platzknappheit der ohnehin schon teilnahmebeschränkten anderen Kurse. Auch hier sehen wir eine grundlegende Verschlechterung unserer Lehre als Folge.

Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Mitarbeiter des Instituts sehen wir für Sportarten wie zum Beispiel Kanu, Kanu-Wildwasser, Ski alpin/Snowboard oder Abenteuersport keine Zukunft.

Wir wollen nicht hinnehmen, dass aus nicht nachvollziehbarenden Gründen eine jahrelang gut funktionierende und aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit mit vielseitigen Vorteilen für Studierende zu Nichte gemacht wird. Vor dem Hintergrund, dass der Hochschulsport stets Bereitschaft zum Anbieten von Kursen signalisiert, ist die gegenwärtige Entwicklung für uns noch weniger nachvollziehbar.

4. Personalsituation

In den vergangenen Jahren kam es zu einer enorm hohen Fluktuation beim lehrenden Personal des Sportinstituts. Hochqualifizierte und bei den Studierenden sehr beliebte Dozenten verlassen das Institut meist nach zwei Jahren wieder. Wir sind der Meinung, dass – gerade wegen der vielen befristeten Stellen – deutlich mehr Anstrengungen unternommen werden müssen, um gute Lehrende zu halten. Auf eine möglichst geringe Fluktuation des Personals sollte viel stärker geachtet werden.

5. Studentische Mitbestimmung und Transparenz

Trotz Aussagen der Geschäftsführung, jederzeit für Probleme ansprechbar zu sein und bei Missständen helfen zu wollen, fühlen wir uns letztlich nicht ernst genommen. Auf Kritik unsererseits erhielten wir in der Vergangenheit oftmals „vertröstende“ Antworten, Wahrheitsverzerrungen oder Aussagen, die die Probleme herunterspielen. In einem persönlichen Gespräch mit der Fachgruppe sprach der geschäftsführende Direktor den Studierenden die Fähigkeit ab, die Lehre am Institut qualitativ bewerten zu können. Des Weiteren wurde die Fachgruppe Sport als studierendenvertretendes Organ im Rahmen von Seminaren und Vorlesungen bezüglich ihrer Arbeit und Meinungen diffamiert.

Insgesamt sind wir mit der Zusammenarbeit, der Kommunikation und der uns entgegengebrachten Transparenz der Geschäftsführung höchst unzufrieden.

6. Prüfungen

Bei der Wahl der Prüfer für Abschlussarbeiten werden den Studierenden unnötige Einschränkungen gemacht. Beispielsweise dürfen einige Personen, die seit vielen Jahren in der Lehre am Sportinstitut tätig sind, nicht mehr uneingeschränkt Prüfungen abnehmen. Als Grund dafür wird von der Geschäftsführung eine mangelnde Überprüfbarkeit von Arbeitsbereich, Qualifikation und Themenwahl der externen Prüfer genannt. Auf der einen Seite gehen die Auflagen mit Einschränkungen bezüglich der Themen- und Prüferauswahl einher, auf der anderen Seite bedeuten sie einen erheblichen Mehraufwand für die verbleibenden Prüfer, was von der Geschäftsführung ausdrücklich toleriert und hingenommen wird. Dies resultiert aus unserer Sicht obendrein in einem wesentlich ungünstigeren Betreuungsverhältnis.

7. Anwesenheitspflicht

Obwohl durch die Sozialwissenschaftliche Fakultät ausdrücklich klargestellt wurde, dass es in Lehrveranstaltungen keine Anwesenheitspflicht mehr geben darf, wird diese in einigen Seminaren weiterhin gefordert. So werden in Teilen nach wie vor Anwesenheitslisten geführt und den Studierenden sogar mit dem Ausschluss von Modulprüfungen gedroht.

 

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit der oben angeführten Auswahl einen Überblick über die Situation an unserem Institut geben konnten. Darüber hinaus bitten wir Sie, sich der von uns genannten Punkte anzunehmen und auf eine baldige Lösung, gerne auch gemeinsam mit uns, hinzuarbeiten.

 

Wir verbleiben mit freundlichem Gruß

 

Hinweis: Dieser Brief wird folgenden Personen zugestellt:

Prof. Dr. Steffen Kühnel, Studiendekan der Sozialwissenschaftlichen Fakultät

Prof. Dr. Roman Loimeier, Dekan der Sozialwissenschaftlichen Fakultät

Prof. Dr. Ulrike Beisiegel, Präsidentin

Prof. Dr. Wolfgang Lücke, Vizepräsident für Studium und Lehre

Frau Meike Gottschlich, Beauftragte für Studienqualität

Frau Prof. Dr. Johanna Wanka, Ministerin für Wissenschaft und Kultur

 

Wichtig: Diese Online-Petition stellt lediglich eine zusätzliche Möglichkeit dar, den offenen Brief zu unterzeichnen. Dazu gibt es weiterhin die Möglichkeit, auf den Unterschriftenlisten in der Cafete, in der Mensa und bei den Fachgruppenmitgliedern zu unterschreiben (siehe Werbeaushänge).



[1] Selbstverständlich meinen wir hier und im Folgenden auch Dozentinnen, Studentinnen usw. Die Verwendung der grammatikalisch maskulinen Form dient lediglich der sprachlichen Vereinfachung.


Vollversammlung der Studierenden am Institut für Sportwissenschaften    Verfasser der Petition kontaktieren