Keine Auszeichnung für Diffamierungen!- Kein Freiheitspreis für Necla Kelek!

Frank Schorfer
Gast

/ #924 Von wessen Grundwerten ist die Rede?

2011-01-27 19:17

Die in Ihrer Petition genannten Vorwürfe finde ich in den beiden Videobeiträgen nicht in dieser Form vor. Frau Kelek ist in allererster Linie eine Feministin, das sollte man bei so einer Preisverleihung in der Tat bedenken. Sie erhebt westlich geprägte Anforderungen an die religiöse Theorie und Praxis: die Gleichstellung von Mann und Frau und die Trennung von Staat und Kirche. Vieles erinnert mich an die Inhalte der Diskussionen zur sexuellen Befreiung in den 60er Jahren. Ob sie den Koran richtig zitiert, kann ich nicht beurteilen, aber ich weiss auch nicht, wieviel Imame es in Deutschland gibt, die den skizzierten Ideen zur persönlichen sexuellen Un-Verantwortung im Islam tatsächlich beipflichten würden.
Man sollte nicht vergessen, daß z.B. das Frauenwahlrecht und die Gleichbereichtigung historisch gesehen eine taufrische Angelegenheit sind. Ich glaube, daß gerade vom soziologischen Standpunkt aus ein Leben und vor allem Arbeiten unter mittelalterlichen Zuständen, die der Sklaverei gleichkommen, in einer westlich-pluralistischen Gesellschaft einfach nicht möglich sind und es eine Frage der Zeit ist, bis sie sich die Menschen, die solches tun oder erdulden müssen, in ihrem Verhalten ändern müssen, und zwar recht schnell. Frau Kelek hilft bei diesem zivilen Ungehorsam.
Sie würde bei der Lektüre der Bibel im Übrigen ebenfalls vieles entdecken, was mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar ist. Und wenn es möglich wäre, würde gewisse Kreise der christlichen Kirchen reflexartig der Aufhebung der Trennung zwischen Kirche und Staat zustimmen. Es würde ein Zittern durch die deutsche Bischofskonferenz gehen, wenn Frau Kelek, das, was in der Bibel steht und was von mancher Kanzel tönt, mit unserem Grundgesetz abgleicht.
Ayaan Hirsi Ali vertritt ebenfalls Standpunkte, die sie politisch in einen fremdenfeindlichen Kontext gebracht haben und dasselbe droht Frau Kelek auch: ihre Ausführungen sind geeignet, an rechtsradikalen Stammtischen für Stimmung zu sorgen. In diesem braunen Hirn-Durchfall werden in logisch sinnfreiem Wechsel Anti-Islamismus und Anti-Semitismus gegeneinander ausgespielt.
Ich bin sicher, daß die Reibungspunkte, die in dieser Diskussion auftreten, notwendig sind, um den betroffenen Menschen ein Koordinatensystem anzubieten, in dem sie sich eine Position erarbeiten können.
Ich unterstütze Frau Kelek als muslimische Feministin, aber ihre Wertorientierung ist den Personenkreisen, gegen die sich ihre Kritik völlig unbekannt. Anfeindungen sind von daher wahrscheinlich vergebene Liebesmüh. Eine freiheitliche Grundordnung kann man aber nicht mit Konstruktionen in Nähe zur Verunglimpfung durchsetzen. Auch im Westen endet die eigene Freiheit und Würde an der Freiheit und Würde des Mitmenschen. Meinungsfreiheit heisst nicht, daß der andere sich jeder Form von Beleidigung ausetzen muss. Ich möchte nicht ungerecht sein, aber Frau Kelek fordert die Inhalte der Aufklärung bei ihrer Glaubensgemeinschaft ein, ein wie gesagt mühseliges Unterfangen, aber sie und auch Frau Ayaan Hirsi Ali bedienen sich in Struktur und Tongebung tendentiell herabsetzenden und den rechtlichen Kontext dadurch relativierenden Darstellungsweisen. Rache für erfahrene Verletzungen ist Sache von Gerichten und die Hoffnung, einen Unmenschen zur Menschlichkeit zu bekehren und ehrliches Bereuen von ihm zu erfahren, halte ich für sinnlos.
Und gerade angesichts derjenigen, die die sog. "Familienehre" und die männliche Vormachtstellung mit Körperverletzung und Mord durchsetzen, würde ich mir wünschen, wenn Frau Kelek deutlicher darauf drängt, daß die Möglichkeiten des Rechtsstaates auch tasächlich ausgeschöpft werden. Ich hoffe, daß die Diskussion lange und intensiv geführt wird, egal ob sie nun diese Ehrung bekommt oder nicht. Und ich gehe davon aus, daß sie klug genug ist, um zu wissen, daß diese Auseninandersetzung zerklüftet und steinig sein muss.