Offener Brief an Abgeordnete,Minister,Parteien zur Bundestagswahl

Offener Brief an die Abgeordneten, Minister und Parteien zur Bundestagswahl

 

Sehr „geehrte“ Mandatsträger und Amtsinhaber, sehr „geehrte Parteien“,

 

eine Bundestagswahl steht an. Sie bitten uns Wähler um unser Vertrauen in Sie, um unsere Stimme. Wir sollen Ihnen Ihre gute Arbeit in der abgelaufenen Legislaturperiode bestätigen und mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte als Parlamentarier oder als Regierungsmitglied betrauen.

 

Laut Grundgesetz, Art. 20 (2) geht alle Staatsgewalt vom VOLKE aus, ausgeübt in Wahlen und Abstimmungen, durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung. Im Klartext: Wir, die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger, beauftragen die gewählten Mandatsträger in ihrer Funktion als Abgeordneter oder Regierungsmitglied mit der Umsetzung des Wählerwillens in politisches Handeln.

 

Es ist fast wie in der Wirtschaft, aber nur fast: Die Anteilseigner eines Unternehmens können bei der Hauptversammlung dem Vorstand und dem Aufsichtsrat die Entlastung erteilen oder versagen, und zwar in einem jährlichen Turnus. Wir Wähler dagegen können „unseren“ Politikern“ bestenfalls nach vorgezogenen Neuwahlen, regulär nach vier Jahren die rote Karte zeigen. Dann landen die Mandats- und Amtsträger in der Opposition oder auch mal im Aufsichtsrat eines börsennortierten Weltkonzerns, schlimmstenfalls fangen Übergangsgelder die Abgewählten sanft auf.


So betrachtet dürfte es für uns Wähler bei einer Bundestagswahl eigentlich kein Problem darstellen, für die zu vergebenden Mandate und Ämter das geeignete Personal zu finden. Personal mit Tugenden und Eigenschaften wie Aufrichtigkeit und Kompetenz. Denn, den Unaufrichtigen und Inkompetenten können wir ja kündigen, also die Stimme entziehen, sagt das Grundgesetz.


Wenn es denn so einfach wäre!


Tatsächlich stellen Sie, werte Mandats- und Amtsträger, uns Wähler vor ein fast unlösbares Problem: Wir nennen es FACHKRÄFTEMANGEL.


Diesen Begriff kennen Sie ja, Sie beschreien ihn seit Jahren auf dem Feld der Naturwissenschaftler, Techniker und Ingenieure – und dies unisono mit den Wirtschaftsverbänden und den Massenmedien. Sie suchen seit Jahr und Tag diesen Fachkräftemangel auf einem völlig abwegigen Terrain, denn diese angeblich raren Spezialisten sind in Wahrheit im Übermaß vorhanden, wie Sie bei gewissenhafter Lektüre dieser Links vor allem in den Kommentarfeldern werden unschwer erkennen können.

 

http://www.zeit.de/karriere/2012-12/leserartikel-jung-arbeitslos

http://www.zeit.de/karriere/bewerbung/2012-10/leserartikel-bildungsprekarier-arbeitslos

http://www.myspace.com/560510296/blog

http://www.mister-wong.de/doc/sammlung-von-internetlinks_261685200/

 

Wie gesagt, BEI GEWISSENHAFTER LEKTÜRE!

 

Nein, von diesem Fachkräftemangel sprechen wir hier nicht. Er gehört in das Reich der Schwindeldebatten, an denen Sie, „verehrte“ Mandatsträger sich so engagiert beteiligen, weil Sie es offenbar für erstrebenswert halten, dass nach den Facharbeitern nun auch Akademiker mit Niedriglöhnen, schlimmstenfalls mit Praktikantensalärs abgespeist werden. Und zwar bei Firmen in der Bandbreite von talentierten Newcomern bis zu Weltmarktführern, die mit dem Made in Germany blendende Geschäfte machen. Und Sie, „verehrte“ Mandats- und Amtsträger kennen sich dabei selbst bestens aus, auch Sie beschäftigen Akademiker in Ihren Büros gerade in Wahlkampfzeiten – vorzugsweise zu Praktikantensalärs. Sie sind also, was schlechte Bezahlung hochwertiger Arbeit angeht, „vom Fach“. Gratulation!

 

Und wenn Sie Ihre Schwindeldebatte vom Fachkräftemangel immer noch verteidigen wollen, hier weitere Links:

 

http://www.youtube.com/watch?v=jRjWHqQqUyI

http://blog.br.de/report-muenchen/2012/5367/die-legende-vom-heiss-begehrten-ingenieur.html

http://www.youtube.com/watch?v=tScNXry0NQw

 

Ein echtes Politmärchen, Ihr Fachkräftemangel! Aber, werden Sie einwenden, die Statistiken zeigen es doch ganz eindeutig. Statistiken, die im Amtsbereich von Arbeits- und Wirtschaftsministerium (Frau Dr. von der Leyen und Dr. Philip Rösler) so erfolgreich mit dem „Förder“instrumentarium von HARTZIV aufgehübscht werden, und die manchmal ganz unbeabsichtigt eine bittere Wahrheit preisgeben:

 

http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Berichte-Broschueren/Arbeitsmarkt-fuer-Akademiker/Generische-Publikationen/Kurzinfo-Frauen-MINT-2011.pdf

 

Man muss nur rechnen können. Laut BA-Statistik waren 2011 mehr als 90.000 arbeitslose MINT-Fachkräfte gemeldet; dazu kamen rund 114.000 Studienabsolventen. Die Gesamtnachfrage in diesen Fächern belief sich auf geschätzt rd. 140.000. Selbst bei Besetzung aller Stellen blieb ein Überschuss von rund 65.000 MINT-Fachkräften in 2011 unbeschäftigt. Und so geht das schon seit Jahren!

 

Zurück zur anstehenden Bundestagswahl. Sie wollen also von uns gewählt werden. Für vier Jahre ausgestattet mit Abgeordneten-Diäten oder Ministergehalt, deren Höhe die relativ l a n g e Befristung Ihres Arbeitsauftrages aufs angenehmste verschmerzbar macht. Sie besuchen uns in den Wahlkreisen und halten lange Reden. Das soll uns dann überzeugen.

 

Ganz anders in der Wirtschaft: Da stehen bei Stellenbesetzungen im Management, ja selbst schon bei Berufsanfängern, Assessment-Center an, die alle in die eine entscheidende Frage münden:

 

Warum sollen wir gerade Sie einstellen oder in der bisherigen Position belassen?

Diese Frage reichen wir nun an Sie weiter, WIR,

 

d. h. alle arbeitslosen, arbeitssuchenden, fachfremd, prekär oder in Zeitarbeit sowie als 1-Euro- Jobber oder als Praktikanten beschäftigten, in Maßnahmen geparkten oder aus Altersgründen aus der Statistik herausgerechneten Akademiker, Ingenieure und Fachkräfte,

 

warum sollen wir SIE, „verehrte“ Mandats- und Amtsbewerber, wählen,

 

  • die uns bis jetzt zur beruflichen Situation sehr vieler Ingenieure und teils hochqualifizierter Naturwissenschaftler belogen haben und immer noch belügen;

 

  • die Abiturienten immer noch in Studiengänge der Natur- und Ingenieurswissenschaften locken, deren Berufsaussichten im Abstieg begriffen sind;


  • die zwischen dem Auftrag „Schaden vom Gemeinwesen abzuwenden“ (wie Sie in Ihrem Amtseid geschworen haben) und den Einflüsterungen finanzstarker Lobbyorganisationen nach Bankenrettung, Steuersenkungen, Subventionen, Greencards für den Zuzug von Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, etc. pp. nicht zu unterscheiden vermögen und damit das Volksvermögen verschleudern;

 

  • die mit einem späteren Rentenbezug sowie der ersatzlosen Streichung der Rentenbeiträge bei Hartz IV die älteren Erwerbslosen in die Altersarmut schicken;

 

  • deren Entscheidungsfindung und Berichte zur Lage der Nation (ganz besonders der jüngste Bericht zu Armut und Reichtum im Lande) eher den Mechanismen einer „Ehrenwerten Gesellschaft“ ähneln und

 

  • die die Würde der höchsten politischen Ämter in der Bundesrepublik (vom Abgeordneten bis zum Minister, Bundeskanzler und Bundespräsidenten) aufs dreisteste beschämen.

 

Wir wissen, was für Sie auf dem Spiel steht …, warum sollten wir?

 

Auf Ihre Antwort warten gespannt,