Streichung PPP in Basel

Das vierjährige Schwerpunktfach PPP stellt ein Novum dar in der Schweizer Bildungslandschaft.
Während die anderen Kantone das Drei-Disziplinen-Fach nur in den letzten beiden
Schuljahren anbieten, wird am Gymnasium am Münsterplatz (GM) das Fach PPP von der
zweiten bis fünften Klasse unterrichtet. Hier wurde Neuland betreten. Das Fach musste von
Grund auf neu konzipiert, die Lehrpläne mussten den Fähigkeiten und Kenntnissen der
Schulstufen angepasst werden. Wir haben diese Aufgabe mit viel Elan und grosser Innovationsbereitschaft
angepackt und das Fach in den letzten fünf Jahren unter erheblichem zeitlichem
Aufwand und hohem persönlichem Einsatz aufgebaut. Und dies, wie der Blick auf die
Entwicklung der Schülerzahlen zeigt, mit grossem Erfolg. Das Fach hat sich seit 2008 als ein
bei Schülern/innen und Eltern gleichermassen beliebtes Schwerpunktfach etabliert, das aus
Basel-Stadt und Basel-Land regen Zulauf findet. PPP spricht ein echtes und nachhaltiges
Lerninteresse der Schülern/innen an. Aus der Lern-Forschung wissen wir: intrinsische Motivation
ist unbezahlbar.


Die Fachschaft PPP des Gymnasiums am Münsterplatz (GM) hält fest:

• Keine fachlich-inhaltliche Entscheidungsgrundlage
Der Beschluss, das Schwerpunktfach PPP abzuschaffen, ist nicht durch fachliche
oder didaktisch-pädagogische Überlegungen begründet. Eine externe Evaluation der
Unterrichts-Qualität des Faches wurde nicht durchgeführt. Erste Maturen in PPP finden
erst im Frühjahr 2013 statt. Eine Beurteilung des Bildungserfolgs der Abgänger/
innen von PPP ist zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht möglich. Es sind dem Fach
und seiner pädagogischen Umsetzung vollständig äusserliche Überlegungen, die den
Ausschlag für den Entscheid geben.

• PPP als Bauernopfer
Der Entscheid des Erziehungsdepartementes wurde über die Köpfe aller betroffenen
Gruppierungen hinweg – der Lehrer/innen, der Schüler/innen, der Elternschaft – gefällt.
Der Weg des konstruktiven und einvernehmlichen Dialogs wurde nicht beschritten.
Auch mögliche Alternativen zur Streichung wurden nicht sondiert. Im Gegenteil:
Den an der Entscheidung beteiligten Rektoren/innen wurde Schweigepflicht auferlegt.
Infolge dieses Vorgehens erscheint das Verfahren intransparent und die ihm zugrundeliegenden
Kriterien unklar. Es spricht vieles dafür, dass das Fach PPP zum Bauernopfer
geworden ist im Schwerpunkt-Schacher zwischen den Standorten.
• Schlechte Kommunikation
Es ist besonders stossend, dass das Erziehungsdepartement die von dem Entscheid
direkt betroffenen Lehrpersonen nicht vorgängig über den Entscheid informiert hat.
Einige von uns haben den Beschluss erst an der Konferenz vom 23. August aus dem
Mund von Herrn H.-G. Signer erfahren. Andere wurden bereits von Kollegen/innen informiert
oder in der Stunde vor der Konferenz von Ihren Schülern/innen darauf angesprochen.
Es scheint, dass die Geheimhaltung vornehmlich strategische Ziele verfolgte.
Der Schutz der von dieser einschneidenden Massnahme direkt Betroffenen
scheint nicht das Anliegen des ED gewesen zu sein.

• Planungsfehler
Das Erziehungsdepartement hat im Jahr 2007 die Einführung des Schwerpunktfaches
PPP bewilligt. Dass das Fach nun trotz oder aufgrund seines Erfolges wieder
gestrichen werden soll, wirft ein schräges Licht auf die Planungstätigkeit des ED. Wer
Wettbewerb zwischen den Standorten verordnet, muss damit rechnen, dass Wettbewerb
stattfindet. Es ist ein bedenkliches Signal an die Adresse der Lehrerschaft,
wenn Planungsfehler per Dekret durch die Streichung von Schwerpunktfächern korrigiert
werden können. Solche kurzsichtigen Manöver beschädigen das Vertrauen der
Bevölkerung in die Bildungspolitik nachhaltig. Sie erschüttern aber auch das Vertrauen
der Lehrpersonen darauf, dass ihre Arbeit im ED gewürdigt und umsichtig geleitet
wird.

Es ist unverständlich, dass ein Schwerpunktfach abgeschafft wird, noch bevor der erste
Jahrgang überhaupt die Matur erreicht hat. Wir protestieren scharf gegen diese hire and fire-
Politik im Bereich der Schule. Schulfächer sind keine Steuersätze, die man der Konjunktur
entsprechend heben oder senken kann. Schulfächer sind für die Lernenden und Lehrenden
gleichermassen Lebensperspektiven. Dies setzt ein Vertrauen in die Verlässlichkeit und Stabilität
der Rahmenbedingungen voraus. Es wäre Aufgabe des ED gewesen, diese für das
Fach PPP und nicht bloss auf dessen Kosten sicher zu stellen.

Das ED begründet seinen Entscheid, mit einem unkontrollierten Wachstum der Schülerzahlen
am GM, mit dem scharfen Standort-Wettbewerb zwischen den Gymnasien, der z.T. über
die Schwerpunktfächer ausgetragen werde, und die dadurch gewachsene Komplexität, die
die Schulen an die Grenzen der Planbarkeit bringe. Das ED habe, so begründet H.-G. Signer
den Entscheid, eingegriffen, um diese Spirale des Wachstums zu stoppen. Dazu ist Folgendes
zu sagen:
• Kein unkontrolliertes Wachstum am GM
Die Frage, ob die Schülerzahlen am GM unkontrolliert wachsen, ist eine Frage des
Betrachtungszeitraumes. Bis in die 90er Jahre hatte das (damals noch so genannte)
HG im achtjährigen Gymnasium mit Typus A und B bis zu fünf Parallelklassen pro
Stufe (z.B. fünf Klassen im Maturjahrgang 1981). Auf acht Jahrgänge hochgerechnet
wurden also bis zu 35 Klassen an der Schule unterrichtet – mit Schwankungen natürlich.
Bei der Einführung des neuen Schwerpunktwahlsystems wurden dem GM nur
zwei Schwerpunktfächer, Latein und Griechisch, zugewiesen, die bereits zuvor in die
Krise geraten waren. Die anderen Gymnasien erhielten ungleich mehr Schwerpunktfächer
und gewannen so auf Kosten des GM/HG in den 90er Jahren grosse Schüleranteile.
Dem drastischen Rückgang der Schülerzahlen am GM wurde bis 2007 mehrheitlich
tatenlos zugesehen. Die Einführung des SPF Spanisch im Jahr 2002 brachte
in diesem Punkt keine Wende, da Spanisch zugleich an zwei anderen Standorten
angeboten wurde. Die Abwärtstendenz konnte erst 2007 mit der Einführung von IB
und PPP gestoppt werden. Seither wächst das GM nicht unkontrolliert, sondern gewinnt
in den Jahren zuvor verlorene Schüleranteile zurück.
• Streichung löst das strukturelle Problem nicht
Die vom ED vorgeschlagene Strategie bringt keine Lösung des Problems, da es keine
"Manövriermasse" an Schülern/innen schafft, mit der eine zu grosse oder zu geringe
Nachfrage ausbalanciert und auf verschiedene Standorte verteilt werden könnte.
Ein Schwerpunktfach (PPP) durch ein anderes zu ersetzen (Englisch), das wieder
ausschliesslich am GM unterrichtet wird, riskiert die Möglichkeit, die jetzt bestehende
Situation zu wiederholen. Denn es könnte sein, dass das neue SPF bei den Schülern/
innen Erfolg hat und eine hohe – und das heisst eventuell auch: zu hohe – Nachfrage
erzeugt. Es könnte aber auch sein, dass es gar keinen Erfolg hat. In diesem
letzteren Fall ist es aber auch nicht in der Lage, die Schülerzahlen des GM langfristig
zu erhalten, und es muss erneut entschieden werden. In beiden durchaus möglichen
Szenarien tritt das Problem also von neuem auf. Das strategische Ziel des ED, alle
fünf Standorte zu erhalten und die Schülerzahlen längerfristig zu sichern, wird mit
dieser Massnahme also keinesfalls garantiert.
• PPP mobilisiert Quereinsteiger/innen in den Nachbarkantonen
Wie die Zahlen zeigen, stammen ca. 25 % der PPP-Schüler/innen aus den Nachbarkantonen
Basel-Land, Solothurn, Aargau (Fricktal). Diese sog. „Quereinsteiger/innen“
nehmen z.T. einen langen Schulweg in Kauf, um das Schwerpunktfach PPP am GM
zu besuchen. Rund ein Viertel der PPP-Schüler/innen werden also nicht anderen
Basler Standorten „abgeworben“, sie werden durch PPP in den Nachbarkantonen
mobilisiert. Es darf angenommen werden, dass diese Schüler nicht automatisch in
andere Angebotsprofile wechseln, sondern dem Kanton Basel-Stadt verloren gehen,
wenn das Fach PPP gestrichen wird.
• Gegen bildungspolitische Druckversuche von Basel-Land
Die Streichung des Schwerpunktfaches PPP muss auch im Zusammenhang mit der
Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt
weiterführende Schulen Seite 4
Harmonisierung des Bildungsraumes Nordwestschweiz betrachtet werden. Es ist ein
offenes Geheimnis, dass sich die Bildungsdirektion des Kantons Basel-Land für eine
Streichung des Faches PPP in Basel-Stadt stark gemacht hat, da befürchtet wird,
dass Schüler/innen nach der Einführung der freien Schulwahl in grosser Zahl nach
Basel-Stadt abwandern. Die Schuldirektion von Basel-Land war jedoch offensichtlich
nicht bereit oder aufgrund der aktuellen Sparbemühungen nicht in der Lage, selbst
das Fach PPP einzuführen. Die Streichung der Faches PPP kommt daher faktisch
einem Einknicken des ED vor den bildungspolitischen Druckversuchen von Basel-
Land gleich. Es kann aber nicht im Interesse der Öffentlichkeit sein, wenn das breite
und qualitativ hochstehende Schulangebot von Basel-Stadt von solchen externen
Sachzwängen eingeschränkt wird. Die angestrebte Harmonisierung verkommt so zu
einer Nivellierung des Fächerangebots.
Es ist also zu erwarten, dass die vom ED getroffene Entscheidung das bestehende Problem
der Angebotsschwankungen nicht löst, sondern lediglich verschiebt. Es darf davon ausgegangen
werden, dass auch hier schon bald nachgebessert werden muss. Vor dem Hintergrund
dieser ungewissen Perspektive ist es skandalös, dass mit der Abschaffung des PPP
ein Entscheid getroffen wurde, der irreversibel ist. Fünf Jahre Aufbauarbeit und Lehrerfahrung
on the job gehen unwiederbringlich verloren. Ebenfalls unverständlich ist, dass dieser
Entscheid gefällt wird, ohne dass in einem konstruktiven Dialog mit den Beteiligten mögliche
Alternativen sondiert wurden. Vorschläge, das Schwerpunktfach PPP mit dem angeschlagenen
Wirtschaftsgymnasium oder dem Gymnasium Bäumlihof gemeinsam anzubieten oder an
einen dieser Standorte auszulagern, lagen auf dem Tisch, wurden aber nicht ernsthaft geprüft.
Damit wurde die Chance vertan, das einzige geisteswissenschaftliche Schwerpunktfach
im qualitativ hochstehenden Bildungsangebot das Kantons Basel-Stadt zu erhalten.


Aufgrund dieser Überlegungen appellieren wir dringend an den Erziehungsrat, den Entscheid
des ED in der Sitzung vom 17. September 2012 zu verwerfen, um den Weg frei zu machen
für eine für alle beteiligten Gruppierungen einvernehmliche Lösung.